Thomas Freiburghaus

SKU 89 2008

«Wenn 90 Prozent Umsatz wegbrechen»

Als das Automotive-Geschäft der Wicor Holding AG Anfang 2009 darniederlag, übernahm Thomas Freiburghaus (45) das Ruder der Division Automotive & Industrial. Mit Direktheit und Charme schwor er 800 Mitarbeitende auf den Turnaround ein und fand einen Käufer.

«Ich liebe Menschen, darum führe ich gern.» Thomas Freiburghaus sagt es von sich, und zugegeben, viele Manager schreiben das in ihre Bewerbung. Den Beleg müssen Erfolge liefern. Als solchen verbucht er, dass die amerikanische Techniplas Group (siehe Kasten) im Mai 2014 den Kauf der Sparte Automotive & Industrial der Rapperswiler Wicor Holding AG verkündet hat. Freiburghaus leitet die Sparte im Hauptsitz am oberen Zürichsee und sagt: «Dieser Deal wäre ohne die Hartnäckigkeit unseres eingeschworenen Management-Teams nicht eingefädelt und durchgezogen worden.»

Der Reihe nach: Nach Ausbruch der globalen Finanzkrise sah es vor fünf Jahren düster aus für die Automotive-Sparte von Wicor (Weidmann International Corporation). «Im US-Werk in Alabama brachen allein im Januar 2009 rund 90 Prozent unseres Automotive-Umsatzes weg», erinnert sich Freiburghaus.

Er war zu diesem Zeitpunkt Finanzchef des Geschäftsbereichs Plastics Technology und hatte eben das SKU Advanced Management Program abgeschlossen. Im Rahmen dieser Weiterbildung erstellen die Absolventen eine Strategiearbeit, die Herausforderungen im realen Arbeitsumfeld lösen soll. «Hier konnte ich meine Gedanken im Team entwickeln und erstellte einen Plan für das Automotive-Geschäft von Wicor.» Die Ideen von Freiburghaus kamen beim CEO der Holding gut an. Nach dem ersten Quartal 2010 übernahm er die alleinige Führung der Division Automotive & Industrial mit ihren 800 Mitarbeitenden und setzte seine Strategie um.

Grossraumbüros und neues Wir-Gefühl

Als Erstes etablierte er eine ganz neue Führungsstruktur und -kultur. Freiburghaus holte am Sitz in Rapperswil alle Kadermitglieder aus ihren Einzelbüros und platzierte sie in Grossraumbüros. «Damit wollte ich einen neuen Teamspirit entfachen und räumlich symbolisieren, dass jeder Mitarbeitende, vom Lehrling bis zum CEO, die gleiche Wertschätzung verdient.»

Das Wir-Gefühl innerhalb der Division wuchs länderübergreifend. Neben atmosphärischen hat Thomas Freiburghaus auch betriebstechnische Pflöcke eingeschlagen. Das Produktionswerk in Rüti ZH wurde ein eigenständiges Werk und viele Aufträge gingen aufgrund der Währungskrise ins nahe Ausland. Einen Ausbau erfuhr dafür das Entwicklungs- und Engineering-Zentrum in Rapperswil. Es beschäftigt heute über 100 Mitarbeitende, welche die Serienproduktionen in China, Südafrika, Europa, USA oder Südamerika mit neu entwickelten Prototypen, moderneren Produktionsverfahren und weiteren technischen Fortschritten verschiedenster Ausprägung «füttern». Diese klare Trennung von Entwicklung und Fertigung zahlte sich rasch aus und die Produktivität stieg.

1200 Kilometer im Bus

Der Plan trug Früchte, das Geschäft erholte sich. Ein Alleingang schien dennoch ausgeschlossen, sodass Freiburghaus im Januar 2012 die Übernahme als strategisches Ziel formulierte. «Ich wollte einen Käufer finden, der das Automotive-Geschäft liebt und uns mit eigenen Werken zusätzliche Kapazitäten beschert.» Freiburghaus suchte auch in den USA und lernte im Sommer 2013 die Techniplas Group kennen, die er bald favorisierte. Um die Menschen hinter dem Firmennamen besser kennenzulernen, lud er das Management in die Schweiz ein. In einem VW-Bus legte man gemeinsam 1200 Kilometer von Rapperswil bis zum Werk in Sachsen zurück. «Die Amerikaner waren von diesem 13-Stunden-Trip begeistert und wir von ihrer offenen Art», erzählt Freiburghaus. Man kam ins Geschäft, der Preis stimmte. Die Mission war erfüllt.

«Die Herausforderung bei Wicor beflügelte mich», sagt Freiburghaus, dessen beruflicher Werdegang schon früher von Turbulenzen und Rettungsaktionen geprägt war. Nach seiner kaufmännischen Lehre und einem HWV-Studium hatte sich der Aargauer im Finanzwesen etabliert. Er erlebte als Projektleiter und Controller bei ABB den Verkauf des Kraftwerkgeschäfts an Alstom und danach den Beinahe-Konkurs der gesamten ABB. Um später für den Konzern eine Stelle in Thailand anzutreten, verliess er die Schweiz mit seiner Frau und Kleinkind. Nach der Rückkehr wurde es Freiburghaus fast etwas zu ruhig. Er verliess die ABB.

Eine ruhige Kugel schiebt er in seiner aktuellen Tätigkeit keineswegs. Die einstige Wicor-Division Automotive & Industrial ist mit dem Verkauf an Techniplas ein eigenständiges Geschäft geworden. «Damit verändert sich natürlich auch mein Arbeitsumfeld wesentlich», so Freiburghaus. Neben der Klärung von strategischen Fragen muss jetzt eine ganz neue und eigene Identität aufgebaut werden. Die Ungewissheit hat ihn aber noch nie belastet. «Mir ging es immer um das Geschäft und die Menschen, die das Geschäft zum Laufen bringen.» Dass ihn das gesamte Top-Management auf diesem nicht risikofreien Weg so gut unterstützt hat, ist die grösste Freude für ihn.

Text: Robert Wildi

Thomas Freiburghaus

stiess 2005 zur Weidmann International Corporation (Wicor Holding AG). Dort agierte der 45-Jährige zuerst als Finanzleiter des Unternehmensbereichs Plastics Technology und wurde 2010 zum Executive Vice President der Division Automotive & Industrial ernannt. Er führt über 800 Mitarbeitende in sieben Ländern und hat den Verkauf der Division im Mai 2014 an die US-amerikanische Techniplas Group federführend begleitet. Thomas Freiburghaus ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.

Die Techniplas Group

ist ein privat geführtes Kunststoffunternehmen mit Hauptsitz in Nordamerika, das schwerpunktmässig die Automobil- und Nutzfahrzeugindustrie beliefert. Insgesamt verfügt das Unternehmen über elf Produktionsstandorte mit ebenso vielen technischen Kompetenz- und Vertriebscentern. Es beschäftigt über 2000 Mitarbeitende. Als eigenständiger Teil der Techniplas Group ist Weidmann Automotive & Industrial eine führende Herstellerin hochentwickelter und technisch anspruchsvoller Kunststoffkomponenten für die Automobilindustrie und Sanitärbranche mit Hauptsitz, Entwicklung und technischem Kompetenzzentrum in Rapperswil-Jona. Weidmann Automotive & Industrial unterhält Produktionsstandorte in der Schweiz, Deutschland, Brasilien, China und den USA.